Objekte der Inspiration

Charlotte Perriand verachtete die Durchbrüche des Maschinenzeitalters nicht und nutzte alle Vorteile moderner Transportmöglichkeiten, um die Welt zu sehen. Was sie in anderen Ländern beobachtete – das Handwerk, die Materialien, die Flora – hatte einen großen Einfluss auf ihre Designprozesse und ihre Philosophie. Oftmals nahm sie ihre Tochter mit zu dem, was sie „Reisen der Inspiration“ nannte. Pernette Perriand hat uns in Paris im einstigen Apartment ihrer Mutter willkommen geheißen, um über einige der zahlreichen Objekte zu sprechen, die ihre Mutter von ihren Reisen mitgebracht hat. Hier finden Sie leicht bearbeitete Auszüge aus dieser Konversation.

Die Riesenmuschel

„Diese hier stammt vom Great Barrier Reef. Charlotte hatte zuvor eine riesengroße Muschel in Sydney gekauft, welche sie zuhause auf dem Kaminsims platzierte. Als wir selbst 1982 am Great Barrier Reef waren, haben wir diese hier im Sand gefunden und wir waren hocherfreut. Sie liebte die ineinandergreifenden Kämme. Zwei Hälften, die perfekt zueinanderpassen. Sie sagte zu mir: „Wie du siehst, kann die Natur nicht übertroffen werden.“ Es ist wahrlich außergewöhnlich. Die Muschel befindet sich jetzt also ebenfalls auf dem Kaminsims, gegen die Wand gelehnt, um zu zeigen, wie haargenau die Seiten zusammenpassen.“ „Charlotte hat sich bei ihrer Arbeit fortwährend von diesen natürlichen Formen inspirieren lassen. Sie liebte die inneren Strukturen von bestimmten Muscheln, wenn man hineinsehen konnte, weil sie zerbrochen waren oder geöffnet wurden. Sie fand es wichtig, solch natürliche Formen in ihre eigene Arbeit miteinfließen zu lassen.“

Die Vase aus einer Plastikflasche

„Dies ist der untere Teil einer Flasche, der aufgeschnitten und in kleine schmale Fäden aufgeteilt und dann zu Kringeln gebogen wurde. Jetzt ist es eine Vase. Wir haben sie auf einem Markt unter freiem Himmel in der Nähe von Recife in Nordbrasilien gefunden. Als Charlotte sie sah, sagte sie, es sei das außergewöhnlichste Objekt, das sie jemals gesehen habe, da es im Grunde aus nichts gemacht wurde. Es kostet nichts — und dennoch ist es Kunst.“ „Einmal, im Jahr 1998, wurde sie in Paris interviewt und der Journalist bat sie, das interessanteste Objekt aus ihrem Zuhause mitzubringen. Und das ist, was sie mitgebracht hat. Als sie es im Fernsehen zeigte, muss ich zugeben, waren alle perplex. Niemand verstand, was sie darin sah. Aber dennoch war es für sie aufgrund seiner Genialität das Objekt mit dem meisten Wert. Die Idee, Dinge wiederzuverwenden, gefiel ihr – wie beispielsweise einen Aschenbecher aus einer gebrauchten Dose zu machen. Den Dingen eine neue Bestimmung geben.“

Die Jacaranda-Frucht

‘This is the fruit of the Jacaranda tree. You can find those everywhere in Brazil. They come in all kinds of shapes. Just as with the giant clam and the other shells she brought back, she was most interested in their inner structure, and vibration, which you can then find in her creations.’ ‘This one we found together. Charlotte had come to Rio to create the furniture for my father’s flat (he was stationed there on official business for the French government), and she came prepared with drawings she had made in Japan, during her exhibition in 1953-55. But when she landed in Rio, she realized it would be impossible to use those, because Brazil is a very different country—very baroque, with lots of lush vegetation. So she decided she needed to get to know this land, and steep herself in it, before she could draw the furniture. And so we went to Northern Brazil. We roamed about for a month, and we brought back plenty of these fruits.’

Der kleine Teufel

„Aus Brasilien haben wir auch eine Handvoll kleiner Teufelsstatuetten mitgebracht. Sie werden bei Macumba-Zeremonien genutzt. Oben haben Sie kleine Stachel, die man in Puppen steckt. Charlotte fand das ganz außergewöhnlich und hat gleich eine ganze Sammlung dieser Objekte mitgenommen. Als wir jedoch zurück nach Rio kamen, hat unsere Köchin gesehen, wie sie sie auf dem Bücherregal platzierte und hat Panik bekommen. Sie war tiefreligiös und sagte, wir könnten das nicht machen, da es Unglück bringen würde und so weiter. Aber Charlotte war ungerührt und ließ sie dort stehen. Über den gesamten Zeitraum, in dem mein Vater in Rio stationiert war, ging die Köchin jeden Freitag mit brennendem Weihrauch an den Figuren entlang, um ihnen ihre böswilligen Kräfte auszutreiben.“ „Letzten Endes wurden sie zurück nach Paris gebracht. Sie inspirierten die Kreation dieser Lampe, Sie wissen schon, wo Sie ein Stück gebogenes Eisen haben, das zwei hängende Noguchi-Laternen trägt und auf jeder Seite in einem Zacken endet.“ Einmal mehr treffen in Charlotte Perriands Arbeit und Methoden Ost und West aufeinander.

Essay
6 Minuten
Three amber fragrance bottles nestled in layers earth-toned fabric.
Lessons from the lab
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Horizontal thumbnail image displaying of Aesop fragrances.
Habitat
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